Osterreise 2018 – Ein Bericht

Ein anderes Leben

Unsere Osterreise 2018 durch Gambia

Vom 24. März bis 8. April 2018 war wieder eine Reisegruppe mit Sonja Rau, Vorsitzende des Vereins „Gambia-Hilfe Freiburg e.V.“, in Gambia. Abgesehen von Sonja waren alle das erste Mal in diesem westafrikanischen Land und bereits am Flughafen Frankfurt sehr aufgeregt. Aber diese Begegnung der Kulturen war glücklich und fruchtbar für beide Seiten.

 

Fotos und Texte: Elke Eisert, Alexander Gramsch, Sonja Rau

 

Mit einem etwas mulmigen Gefühl sind wir schon abgereist, denn wir fanden es nicht unproblematisch als Touristen in ein Dritte-Welt-Land zu reisen. Weder wollten wir Armut begaffen noch als reiche, selbstgefällige Europäer auftreten. Wir wurden allerdings so herzlich und freundlich von Ibu, Sonjas Mann, und seiner Familie aufgenommen und fanden uns in einer so offenen Gesellschaft wieder, in der „respect and good manners“ eine wichtige Rolle spielen und  in der ein, soweit wir es von außen sehen konnten, liberaler Islam praktiziert wird, dass wir uns trotz der gewaltigen Probleme dieses unglaublich armen Landes dort sehr wohl fühlten. Und wir lernten ein anderes Leben kennen.

 

English version below!

 

Zu den eindrücklichsten Erlebnissen gehörte der Besuch einer Schule. Diese liegt in Busumbala, Gambias größtem Dorf. Hier, im Westen des Landes, hat sich in den letzten Jahrzehnten ein dicht besiedelter Ballungsraum um die Hauptstadt Banjul und ihren Flughafen gebildet. In die staatliche Schule von Busumbala gehen 2800 Schülerinnen und Schüler, die von 80 Lehrern in zwei Schichten unterrichtet werden. Die Lehrer an staatlichen Schulen werden schlecht bezahlt, die Klassen sind mit mehr als 60 Kindern sehr groß, die Methodik ist oft auf einfaches Nachsprechen und Auswendiglernen ausgerichtet. Während die Schulbildung unter diesen Bedingungen also kaum einen hohen Standard erreichen kann, gehen viele Kinder gar nicht zur Schule. Viele Menschen können sich die Kosten für Schuluniformen usw. nicht leisten. Manche gehen auf muslimische Schulen, an denen wird der Koran und somit das Lesen auf Arabisch, jedoch nicht Englisch gelehrt wird – Englisch ist die offizielle Landessprache. Laut einer Schätzung des „World Fact Book“ der CIA von 2015 liegt der Grad der Alphabetisierung in Gambia bei nur gut 55 %.

In Ibus Familie lernten wir auch Kaddy kennen, eine junge Frau, die die Schule mit dem höchsten Abschluss verlassen hat, unserem Abitur vergleichbar. Kaddy zeigte uns ihr Land, beantwortete geduldig unsere Fragen, ging mit uns auf Gemüsemärkte und in Geschäfte mit bunten Stoffen und führte uns zu ihrem Schneider. Kaddy würde gerne eine Ausbildung zur Krankenschwester machen, kann sich aber die Gebühren und Kosten für die Ausstattung nicht leisten. Deshalb hat der Verein „Gambia-Hilfe Freiburg e.V.“ für sie und Mustapha, der an der Universität Economy studieren will, ein Crowdfunding-Projekt gestartet. Wir unterstützen dieses Projekt von ganzem Herzen! Wer Kaddy und Tapha ebenfalls unterstützen will, kann dies hier tun.

Wenn wir mit Ibu, Kaddy, Amadou und den anderen Familienmitgliedern unterwegs waren, trafen wir unglaublich viele freundliche Gambier. Auf den Straßen waren ständig unzählige Menschen unterwegs, die uns offen und liebenswürdig begegneten. Auch die Buschtaxis und Überlandbusse sind immer gut ausgelastet (bis überlastet), da die Mobilität innerhalb des Landes sehr hoch ist. Dabei wird deutlich, wie in Gambia Moderne und Tradition nebeneinander existieren. Im Ballungsgebiet Banjul mit den umliegenden dicht besiedelten Orten Serrekunda, Bakau, Brikama, Busumbala usw. führt dichter Straßenverkehr oft zu Staus. Zugleich sind auch Eselkarren, Fußgänger und gelegentlich Fahrräder auf der Straße. Aber auch frei laufende Rinder, Schafe und Ziegen bevölkern die Straßen.

Besondere Erlebnisse waren unsere Einkäufe auf Märkten und in kleinen Läden. Supermärkte gibt es kaum, die meisten Leute kaufen auf Märkten oder am Straßenrand ein. Zwar ist Englisch die offizielle Landessprache, doch wird sie nicht von allen Menschen gesprochen. Die meisten Menschen sprechen Mandinka, gefolgt von Wolof und Fulla und zahlreichen weiteren indigenen Sprachen – und die meisten Menschen können mehrere dieser Sprachen sprechen. Versucht man sich ein paar Brocken Mandinka oder Wolof anzueignen, ist die Freude des Gegenübers groß.

Einerseits bieten zahlreiche kleine Händler und Bauern selbst produzierte Lebensmittel wie Bananen, Mangos, Okraschoten, Maniok usw. an, andererseits werden Orangen, Melonen, Ananas u.a. auf Großmärkten, teils direkt im benachbarten Senegal, eingekauft und dann wiederum an kleinen Tischen am Straßenrand angeboten. Neben Rindfleisch und lebenden Ziegen sind auch frische und geräucherte Fische im Angebot, sowohl Flussfische im Osten als auch Meeresfische im Westen des Landes, insbesondere direkt in den Fischereiorten wie Tanji. Gegessen haben wir das Gemüse meist mit Reis, dem wahrscheinlich wichtigsten Grundnahrungsmittel – das allerdings importiert werden muss.

Auch die produzierende Wirtschaft ist überwiegend kleinteilig: Gesehen haben wir viele kleinste Werkstätten an den Durchgangs- und Ausfallstraßen, vor allem Schreiner, die große massive Holzbetten herstellen, und Schweißer, die eiserne Tore für die Grundstückseingänge produzieren. Einen solchen Schweißer haben wir nicht nur in seiner Werkstatt besucht, sondern auch zum Abendessen eingeladen: Saidy Khan, den der Verein mit Hilfe weiterer Spendenprojekte mit einem qualitätvollen Schweißgerät und einem Generator unterstützen konnte (zu Saidy Khans Projekt: http://gambia-hilfe-freiburg.org/2018/03/20/unser-crowdfunding-fuer-den-stromgenerator-laeuft/)! Auch in der Werkstatt eines Schneiders waren wir – es war Kaddys Schneider, einem Wolof, dem wir knallige bunte Stoffe aus den kleinen Läden brachten, aus denen er uns in wenigen Tagen Röcke, Kleider, Hosen und Hemden nähte. Die bunten Stoffe, die neben westlicher Kleidung das Straßenbild prägen, stammen übrigens in der Regel aus ostasiatischen Fabriken.

Einen sicher nicht unbedeutenden Anteil an der Wirtschaft des Landes hat der Tourismus, doch beschränkt sich dieser mangels Infrastruktur derzeit weitestgehend auf die Strände im Westen bei Banjul. Wir hatten dagegen das Glück auch das Landesinnere erleben zu können, dank Ibu, der uns auf der Landstraße bis Janjanbureh fuhr, dem ehemaligen britischen Verwaltungssitz Georgetown. Diese mehr als fünfstündige Fahrt führte uns durch zahlreiche kleine Dörfer, schlicht aber sauber, und durch eine faszinierende Steppenlandschaft mit beeindruckenden Baumriesen – Baobabs und Kapoks – und einsamen Fulla-Rinderhirten mit ihren Herden.

Ein touristisches Angebot haben wir auch genutzt: eine Bootsfahrten auf dem Gambia-Fluss. Sie führte uns durch dichte Mangroven bis zu einer Stätte der Sklavereigeschichte. Kennen Sie den Roman und die Fernsehserie „Wurzeln – Roots“ von Alex Haley? Haleys Geschichte um Kunta Kinte beginnt in Gambia, wo der Held als junger Mann versklavt und nach Nordamerika verschleppt wird. Ein traditionelles Boot brachte uns zu einer Insel im Gambia-Fluss, die heute „Kunta Kinte Island“ heißt und gemeinsam mit weiteren Plätzen der Sklavereigeschichte eine UNESCO-Welterbestätte ist.

Die allermeisten Gambier sind sehr gläubige Menschen, die regelmäßig beten. In jedem Dorf haben wir eine – meist kleine und bescheidene – Moschee gesehen. Der größte Teil sind Muslime, über 90 %. Der Rest sind Christen und zu einem ganz geringen Teil Anhänger traditioneller Religionen. Gambia versteht sich als weltlicher und liberaler Staat. Auch Ostern und Weihnachten sind offizielle Feiertage.

Heute befindet sich Gambia im Aufbruch – bei den Wahlen von 2016 gelang es die lange und furchtbare Diktatur zu beenden und ein zaghafter demokratischer und ökonomischer Prozess kam in Gang. Gambia ist ein sehr junges Land – sowohl historisch, da es erst in Folge des Kolonialismus entstand und seit gut 50 Jahren ein unabhängiger Staat ist (1965), als auch demographisch: Die Altersgruppe bis 14 Jahre hat einen Anteil von über 44 %, die über 65-Jährigen nur einen Anteil von knapp 3 %. Und viele der jungen Gambier wünschen sich – gerade jetzt, nach dem Ende der Diktatur – ein anderes Leben.

 

English version:

A different life – our travel to Gambia, Easter 2018

A group of seven joined Sonja Rau, chairwoman of the association “Gambia-Hilfe Freiburg e.V.”, on a journey to Gambia, 24 March to 8 April 2018. All except Sonja travelled to this West African country for the first time and were very excited already when embarking at Frankfurt Airport. But this encounter of cultures turned out to be happy and fruitful for both sides.

In the beginning we had mixed feelings, since coming from one of the richest regions in the world we neither wanted to seem to ogle poverty nor to appear as smug well-off Europeans. However, the family of Sonja and Ibu, her husband, welcomed us warmheartedly and friendly and made it easy for us to feel at home. And we encountered an open, though traditional society where respect and good manners play a central role and where a liberal Islam is practiced, so we quickly felt at ease with the people and the country. A country where we faced a different life.

An impressive experience was our visit to a local school of 2800 students educated by just 80 teachers, teaching in two shifts per day. While school education is not of a very high standard, still a large number of children do never visit a school at all, never learn to read and write or speak English properly – which is the official national language – simply because their families cannot afford the costs.

In Ibu’s family we got to know Kaddy, a young woman who finished school with a university-entrance diploma, but without professional training. Kaddy would like to be trained as a nurse, therefore “Gambia-Hilfe Freiburg e.V.” started a crowd-funding project for her and Mustapha, a young man who wants to study economy in Gambia. Donations for this project to enable the education of these young people and help to develop the country are highly welcome!

Kaddy took her time to patiently answer our question, showing us her country, taking us to small shops, to markets, and to her tailor. We bought a number of bright colourful dress fabrics and Kaddy’s tailor within a few days produced skirts and dresses, trousers and shirts. With Ibu and Amadou and the other members of the family we went on a boat trip to Kunta Kinteh Island, a UNESCO World Heritage site remembering the dark history of slavery and colonialism, as well as to the beautiful beaches of Gambia’s west. But Ibu also drove us on a five hours road trip to the inner parts of Gambia in the east, to Janjanbureh, the former British colonial administrative town Georgetown. This trip was fantastic with its vistas across the endless steppe landscape with its impressive giant trees – Baobab and Kapok – and the lonesome Fulla herders with their cattle.

Today Gambia is in an atmosphere of departure and development. The people managed to end a long and devastating dictatorship in 2016 and are looking forward to a democratic and economic progress. Gambia is a young country with 44 % of its inhabitants no older than 14 years, and only 3 % older than 65 years. The development of the economy, of job prospects, of opportunities and political and financial security for this young generation requires outside help. Many of the young urgently need and hope for a different life!